Skate.

Ich muss zugeben, das Schreiben dieses Artikels ist mir äußerst schwergefallen. Denn einerseits macht das Gameplay in Skate. sehr viel Spaß, doch andererseits zeigt Skate. so viel, was in der Welt der Videospiele gerade schiefläuft.

TikTok Star mit Schattenseiten

Wenn man sich Skate. auf YouTube Shorts oder TikTok anschaut scheint EA mit Skate. einen riesigen Erfolg gelandet zu haben. Die Kurzvideos, die meist halsbrecherische und spektakuläre Skateboard-Stunts zeigen, werden teils millionenfach gesehen und lösen in mir auch immer wieder den Drang aus, doch noch einmal Skate. eine Chance zu geben. Auch die Spielerzahlen können sich sehen lassen. Immerhin hat das Spiel laut EA allein in den letzten zwei Monaten (seit dem Release im Early Access) mehr als 20 Millionen Spieler erreicht.

Schaut man sich dennoch die Rezensionen von Kritikern und Fans an, zeichnet sich ein Bild voller Enttäuschungen ab – und das obwohl den meisten das Gameplay an sich wirklich Freude bereitet. Woher dieser Widerspruch kommt, möchte ich euch ein bisschen näher bringen.

© Electronic Arts Inc. / Full Circle
Bis auf den Artstyle, den man mögen kann oder nicht, sieht Skate. auf den ersten Blick wirklich spaßig aus.

Die Rückkehr des videospielgewordenen Skateboardmessias?

Skate 2 und Skate 3 gelten für viele als der videospielgewordene Skateboardmessias. Während in der Tony Hawk-Reihe vor allem eine arcadige Highscore-Jagd im Vordergrund stand, versuchte Skate mit der sagenumwobenen Flick-It-Steuerung und einer lebendigen Stadt einen kleinen Tropfen Realismus in das Genre der Skateboardspiele zu bringen. Gerade die Flick-It-Steuerung war das Alleinstellungsmerkmal von Skate. In Tony Hawks Pro Skater genügte es einfach, einen Knopf zu drücken und der virtuelle Skater führte die krassesten Tricks aus. In Skate steuert ihr hingegen mit dem rechten Stick eures Controllers eure Beine und müsst für jeden Trick die „echten“ Bewegungen nachahmen. Drückt ihr den Stick z. B. nach unten, geht euer Skater in die Hocke, flickt ihr den Stick dann gerade nach oben, führt er einen Ollie aus und wenn ihr dabei leicht zur Seite drückt, verwandelt sich der Ollie in einen Kickflip oder Heelflip. Um wirklich krasse Tricks auszuführen und sie am Ende auch entsprechend zu kombinieren, musste man sie auch ein gutes Stück üben. Fast wie beim echten Skaten eben – reines Button-Mashing führt in Skate selten zum Erfolg. Gerade diese unglaublich belohnende und spaßige Steuerung fühlt sich auch in Skate. wieder richtig gut an. Doch das ist leider auch schon das einzige, was von dem Glanz des alten Skate-Gefühls übrig geblieben ist.

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Das Skaten selbst sieht nicht nur stylisch aus, sondern macht auch echt Spaß.

Mehr Poser als Skill?

Während Skate bislang dafür bekannt war, die Skaterszene zu feiern und ihr Respekt zu zollen, scheint der neue Teil eher wie ein Poser im Skatepark zu sein, der zwar damit angibt, wie „krass“ er doch ist, aber eigentlich keine Ahnung hat, wovon er gerade spricht. Also genau das was Skater eigentlich am meisten hassen. Hinter jedem gelernten Trick beim skaten steckt extrem viel Arbeit. Jeder der sich auch nur an einem Ollie, dem Standard-Trick beim Skaten schlechthin, versucht hat, weiß das. Schier unzählige Versuche und blaue Flecke, bis man das Board überhaupt ein paar Zentimeter in die Luft bekommt (viel weiter bin auch ich ehrlicherweise nie gekommen). Gerade deshalb sehen viele zu den Profis im Skaten so sehr auf. Personen, die einfach nie aufgegeben haben, immer wieder aufgestanden sind, egal wie viele Knochenbrüche sie sich eingefangen haben – und das alles nur für ihre Leidenschaft, dem Skaten.

Gleichzeitig wurden und werden Skater aber auch immer wieder von Politik, Polizei und Aufsichtsbehörden ins Visier genommen und verteufelt. Doch die Skater ließen sich dank einer gewissen „Fuck you!“-Attitüde nicht unterkriegen, wodurch Skaten mittlerweile sogar eine olympische Disziplin geworden ist.

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In den alten Skate-Teilen wurden harte Stürze regelrecht zelebriert. Durch eine Röntgenansicht konnte man in Skate 3 auch direkt sehen, welche Knochen man sich bei dem Manöver gebrochen hat. In Skate. hingegen wurdet ihr durch einen Pharmakonzern immun gegen Schmerzen.

Und genau diese Kultur schaffte es Skate in der Vergangenheit perfekt einzufangen. In der Story von Skate 2 hat zum Beispiel ein Megakonzern die Stadt übernommen und versucht, das Skaten aus der Stadt zu verbannen. Frisch aus dem Knast entlassen, gilt es sich nun gegen den Konzern zu stellen und dem Skaten wieder zu altem Glanz zu verhelfen – inklusive zahlreichen Cameoauftritten von Skateprofis, die sich mit euch zusammen gegen die Macht des Konzerns stellen.

Ja, und in dem neuen Skate.? Die Stadt will ein Touri-Hotspot werden und verteilt deshalb jetzt Boni an Skater, die die Stadt durch ihre Skate-Skills bekannt machen… oder so in der Art. Die Rahmenhandlung in Skate wird in ca. zwei Sätzen abgehandelt und spielt danach keine große Rolle mehr. Dennoch setzt sie die Stimmung für das gesamte Spiel. Statt dass wir uns in Skate. also gegen einen Megakonzern stellen, der uns das Skaten verbieten will, sollen wir jetzt also für die Politik Werbung machen?

Mit rebellischer Skaterkultur hat das definitiv nichts mehr zu tun. Stattdessen ist es ein Spiegel von allem, was sonst noch schief läuft an Skate. und bei vielen anderen großen Videospielpublishern.

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Statt Skatekultur spendiert euch Skate. jetzt Fortnite-esque Skins. (Natürlich gegen Echtgeldwährung)

Der Megakonzern in Skate.

Beim Spielen von Skate. wird einem eine Sache immer wieder mitten ins Gesicht geknallt: Anstatt dass ein fiktiver Megakonzern das Skaten verbieten will, hat sich EA als Megakonzern das Skaten gekrallt und versucht mit allen Mitteln Profit daraus zu schlagen. (Ist das nicht mega geile Skate-Kultur?)

Obwohl das Spiel zwar Free-to-Play und noch im Early Access ist, wird man schon jetzt an jeder Ecke mit Kaufbildschirmen für Lootboxen und In-Game-Währungen zugeschmissen – einen Battle Pass gibt es natürlich auch bereits.

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Offiziell erschienen ist das Spiel noch nicht, doch das hält EA nicht davon ab, euch mit allen Mitteln extra Geld aus der Tasche zu locken: Massenrabatte beim Kauf von Echtgeldwährung, Season Pass oder zeitlich begrenzte Items, die ihr nur jetzt sofort kaufen könnt. (Auch wenn es aktuell immerhin nur um kosmetische Items geht)

Das alles wäre nicht so tragisch, wenn das Spiel doch darum herum noch etwas bieten würde. Aber es wirkt einfach so, als hätte man überall gekürzt. Anstatt echter Skateboard-Profis, könnt ihr in Skate auf genau 4 (!) belanglose NPCs treffen, die die Anführer der vier Skategruppierungen der Stadt sind. (Vielleicht sind es auch 5, aber die sind alle so belanglos und austauschbar, dass ich mir das nicht besser merken konnte.)

Wenn ihr jetzt an Zwischensequenzen gedacht habt: falsch gedacht! Stattdessen werdet ihr lediglich von den NPCs angerufen und über die nächste Mission informiert. Wobei auch schon „Mission“ hier sehr hochgegriffen ist. Bislang sind es eher Tutorials, die „ganz nett“ gestaltet sind.

Dazu redet jeder einzelne NPC in dem cringigsten Pseudo-Skaterslang, den ich je hören musste. Teilweise haben sie sich dafür sogar selbst neue Worte ausgedacht. Oder habt ihr schonmal irgendwo „Footy“ (kurz für Footage, also Videomaterial) gehört? Daneben wirken selbst die „lustigen“ Gifs, die euch eure Eltern regelmäßig schicken plötzlich richtig „cool“.

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Es macht den Anschein, als wolle sich Skate. mit Biegen und Brechen einer jungen Zielgruppe anbiedern wollen.

Und selbst die auf den ersten Blick beeindruckend wirkenden Kurzvideos auf TickTock und Youtube verblassen schnell. In Skate 2 war es z.B. ein echtes Highlight, als man gegen Ende des Spiels den riesigen, trockenen Staudamm hinabzurasen oder in Skate 3 den Mega-Park mit seinen gigantischen Rampen entdeckt hat. In Skate. fühlt sich hingegen alles an als wäre es ein Mega-Park. Fast an jeder Ecke und auf jedem Häuserdach warten riesige Rampen. Doch gerade dadurch nutzt sich der Reiz schnell ab. Durch das zusätzliche Fehlen einer Rahmenhandlung hatte ich deshalb bald das Gefühl, einfach nur belanglos von A nach B zu fahren.

Den einzigen Progress den ihr im Spiel macht, gibt es bei den Lootboxen. Je mehr Challenges ihr absolviert, desto mehr Lootboxen schaltet ihr frei, aus denen ihr dann ein weiteres (meist) belangloses Kleidungsstück ziehen könnt.

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Ich glaube es gibt nur wenige Dinge die noch peinlicher sind, als sich selbst „cool“ zu nennen. Skate. schafft es an jeder Ecke zu betonen, wie cool das Spiel doch ist.

Fazit: 7/10

Ich hoffe, ihr könnt jetzt etwas besser verstehen, warum es die Fangemeinde so schwer mit dem neuen Skate. hat. Das Gameplay macht nach wie vor Spaß, doch rundherum hat man alles, was Skate oder auch das echte Skateboarden ausmacht, radikal weggekürzt. Es fühlt sich einfach so an als hätte man hier das Bare Minimum abgeliefert und sich darüber hinaus keinerlei Gedanken gemacht, wie man das Spiel wirklich gut machen könnte.

Genau das macht es auch für mich so schwierig. Skate. ist an sich kein schlechtes Spiel – in Skate schlummerte und schlummert auch immer noch so viel Potential, das aber leider vermutlich niemals ausgeschöpft wird. Noch schlimmer: Nach dem Aufflammen der Hoffnung auf die Rückkehr des wahren einen Skateboardmessias fühlt es sich jetzt eher so an, als würden wir ihn wohl niemals wieder sehen.

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