Chillin‘ by the Fire

Als Chillin‘ by the Fire per Nintendo Direct ankündigte, konnte ich erstmal nur ungläubig schnauben. Wer hat bitte nach einem Lagerfeuer Simulator gefragt?! Und doch sitze ich nach ein paar Stunden mit dem kleinen Spiel durchaus überrascht hier und glaube, das Chillin‘ by the Fire unter den richtigen Umständen sogar ein Nischenhit hätte werden können.
Come on baby, light my fire
Grundsätzlich haben wir in Chillin by the Fire nichts anderes zu tun, als ein Lagerfeuer immer größer werden zu lassen. Womit man bei der Cartoon-Grafik erstmal nicht rechnet: die Physik der Flamme, des Brennmaterials und der Umgebung wird relativ glaubwürdig simuliert. Das Tutorial liest sich dann auch tatsächlich ein bisschen wie ein „Lagerfeuer für Einsteiger“-Ratgeber. Zu große Brennklötze entziehen dem Feuer Temperatur, zu wenig Sauerstoff lässt es ersticken, cleveres Aufeinanderschichten sorgt für eine bessere Trocknung des Holzes.

Wir befinden uns also in einer ständigen Spirale aus Holz hacken, pusten und passende Holzscheite zusammenpuzzlen. Mit zunehmender Größe und Hitze steigt unser Feuer im Level auf. Bei Stufe zehn wird eine neue Umgebung freigeschaltet, in der das ganze Spiel von vorn beginnt. Davon gibt es vier Stück: Strand, Lichtung, Wald und ein Schneegebirge. Während am Strand ein trockenes Klima herrscht und eine stete Brise unserem Feuer quasi immer genug Sauerstoff zukommen lässt, machen der Regen im Wald oder der Schneesturm in den Bergen die ganze Angelegenheit natürlich wesentlich schwerer.
And it burns, burns, burns…
Ich bin ehrlich überrascht, wie kurzweilig das Gameplay doch am Ende war. Ein Feuer auf Level zehn zu bringen, dauert je nach Vorerfahrung (meine Eltern haben einen Kamin, das hat sich als nützlich erwiesen) und Umgebung zwischen einer halben und einer Stunde und die sind doch ziemlich zügig vergangen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir am Ende doch ziemlich Akkordarbeit leisten müssen und keine Zeit zum verschnaufen haben. Das Chillen im Namen können wir dann eigentlich streichen. Da ändert auch die unkomplizierte Steuerung nichts dran.

Das ändert sich aber, wenn wir uns Mitspieler:innen ans Feuer holen. Dank Gameshare braucht es nur ein Spiel und bis zu vier Leute können sich gemeinsam am Lagerfeuer beteiligen. Mit einer USB-Kamera können wir sogar unsere Gesichter ins Spiel bringen. Teilen wir uns die Aufgaben auf, wird alles schon wesentlich entspannter. Das Spiel gibt auf Wunsch sogar Inspirationen und anregende Fragen für Gespräche an die Hand. Das mag auf den ersten Blick lächerlich wirken, kann aber auch als Partyspiel gesehen werden, bei dem Ihr vielleicht Dinge über Eure Freunde und Freundinnen erfahrt, die Ihr sie nie gefragt hättet.
Relight my fire… oder nicht?
Das ist für einen abendlichen Plausch mit doch wirklich schöner Atmosphäre auf Distanz eine coole Sache. Am Ende ist Chillin‘ by the Fire dann aber doch „nur“ ein ungewöhnlicher Discord- oder Teamspeak-Ersatz. Denn als Spiel bietet es einfach zu wenig Langzeitmotivation. Mit den Punkten, die wir während unserer Feuer-Sessions verdienen, können wir neue Werkzeuge und Umgebungsgegenstände wie neue Zelte kaufen. Die sind aber allesamt nur kosmetischer Natur und fügen dem Gameplay nichts hinzu.

Auch der Survival-Modus (begrenztes Feuerholz) und die Spielwiese (alle Spieler:innen können ein eigenes Feuer entfachen) sind letztlich dasselbe Wasser in neuen Schläuchen. Mehr als etwa vier bis fünf Stunden Spaß dürft Ihr von Chillin‘ by the Fire nicht erwarten. Danach ist das Spiel eben nur noch als Plattform zum Freunde treffen interessant.
Fazit 6/10
Tatsächlich hat mir Chillin‘ by the Fire mehr Spaß gemacht, als es sollte. Die gemütlich-melancholische Atmosphäre und das eingängige Gameplay, verbunden mit der Tatsache, dass ich doch noch so einiges übers Feuer machen gelernt habe, haben mich wirklich gut bei der Stange gehalten. Und das, obwohl das Gameplay sehr reduziert ist und schon nach einer Viertelstunde nichts neues mehr bietet. Hat man aber jede Umgebung einmal gesehen, war’s das auch schon mit der Motivation. Ein weiterer Grund, das Spiel anzuschmeißen, wird nicht nachgeliefert.
Von da an bleibt nur noch der Multiplayer Modus, der tatsächlich mal eine etwas andere Art bietet, mit der Clique zu plaudern. Schade eigentlich, dass man hier auf maximal vier Teilnehmende beschränkt ist, gerade die Spielwiese hätte sich für mehr angeboten. Chillin‘ by the Fire wäre eigentlich ein super Spiel für die Zeit der Pandemie gewesen, hat seine Chance aber um gut zwei Jahre verpasst. Damals hätte der Titel bestimmt seine Nische gefunden und durchaus Erfolg haben können.
Heutzutage wirkt es eben leider nur noch wie eine nette, aber überflüssige Idee, der wohl nicht viele Leute eine Chance geben werden. Dafür sind die 15 Euro dann doch einfach etwas happig, für das Gebotene. Hat man aber eine feste Gruppe, mit der regelmäßiger Gameshare kein Problem darstellt, dann ist eine Gemeinschaftsanschaffung durchaus eine Überlegung wert.

Spielte Videospiele, noch bevor er Fahrrad fahren konnte. Hat als einer der letzten Zivis den Gedanken an ein Medizinstudium verworfen und stattdessen „irgendwas mit Medien“ in der Weltmetropole Ilmenau im beschaulichen Thüringer Wald studiert. Über das Campus-TV schließlich den Weg eines (Video-) Redakteurs eingeschlagen und 4 Jahre lang im Esports-Bereich gearbeitet. Danach gings ins lineare Fernsehen, dann auf die andere Seite des Spektrums in die PR und schließlich zum Reisemagazin von Urlaubstracker. Weil es ihm aber beim Thema Gaming und anderer medialer Unterhaltungskunst immer noch 24/7 in den Fingern juckt, gibt es jetzt, wann immer es die Freizeit zulässt, Reviews und Previews von ihm.